Um Unternehmen zu retten, müssen wir ihre Strukturen zerstören
Unternehmen stecken heute noch in ihren traditionellen hierarchischen Strukturen aus dem 20. Jahrhundert fest. Was ihnen in diesem Zustand fehlt: Die Fähigkeit, diese Strukturen aufzubrechen und ins 21. Jahrhundert zu überführen.
Doch Rettung naht: Der gesellschaftliche Werte- und Strukturwandel durchkreuzt ihre linearen Führungsstrukturen so lange, bis sie gar nicht mehr anders können, als sich zu verändern – über die Zerstörung der Unternehmensstrukturen durch den Wandel unserer Gesellschaft.
Es ist kaum zu übersehen: Mittlerweile hinterlassen immer mehr Mitarbeiter, Kunden und letztlich potentiell alle Vertreter unserer Gesellschaft ihre Fußspuren in kleinen, großen und mittelständischen Unternehmen. Während junge, agile Start-ups auf diese Einflüsse in der Regel flexibel reagieren können, erscheinen Unternehmen mit althergebrachten Organisationsstrukturen inflexibel, mitunter behäbig bis schläfrig.
„Unsichtbare“ Störenfriede zwingen Unternehmen, zu reagieren
Salopp formuliert heißt das für Unternehmen schlicht und einfach, dass es für sie anders läuft, als sie es ursprünglich mal geplant haben – und das bekommen sie mittlerweile deutlich zu spüren: Höhere Wechselbereitschaft auf Seiten von Mitarbeitern und auch Kunden führt dazu, dass bestehende Ordnungsstrukturen in Unternehmen empfindlich gestört werden. Hinzu kommen externe Störungen, die durch Medien, Reaktionen in sozialen Netzen sowie durch rasante, plötzliche Marktveränderungen zustande kommen. Unternehmen müssen infolgedessen ständig reagieren, Führung über Kontrolle und Anweisung fällt ihnen zunehmend schwer.
Hierbei vollziehen sich hoch dynamische Prozesse, die sich nicht steuern und nur sehr schwer beobachten lassen, weil sie weitgehend unsichtbar ablaufen: sogenannte „Invisible Hand“-Prozesse. Die neuen Strukturen, die dabei entstehen, werden weniger durch einzelne Akteure, als vielmehr durch das System selbst erzeugt. Im „Real Life“ sieht das dann so aus:
Unternehmen spüren die neue Macht, die sie umgibt und müssen handeln
Shitstorms sind vermutlich das deutlichste Symptom einer Machtverschiebung, die durch „Invisible Hand“-Prozesse in Netzwerken stattfindet. Sie vollzieht sich durch eine Vielzahl von Menschen, die auf den ersten Blick einfach nur ihre Meinung äußern. Sie ist nicht etwa strategisch geplant, sondern entsteht einfach aus dem System heraus, was es für Unternehmen besonders schwer macht, derartige Prozesse zu vermeiden, zu kontrollieren oder vorherzusehen.
Ähnliches gilt für den Arbeitsmarkt: Auch hier sind es die Netzwerke, die Mitarbeitern und Fachkräften neue Perspektiven eröffnen. Währenddessen werden Unternehmen immer gläserner, ob sie es wollen oder nicht. Sie müssen stärker als bisher darum ringen, Mitarbeiter zu werben, sie zu halten und an unternehmerischen Prozessen teilhaben zu lassen. Viele Unternehmen erkennen, dass es nur wenig bringt, an Symptomen herumzudoktern, sondern, dass sie selbst einen tiefgreifenden Wandel herbeiführen müssen.
Friedliche Koexistenz von Netzwerk und Hierarchie
Unternehmen wie Google oder Bosch haben dies verstanden: Neben den klassischen Unternehmensstrukturen errichten sie separate Forschungscampusse bzw. Innovationszentren, um notwendige Freiräume für bevorstehende Marktanpassungen zu schaffen. Andere Unternehmen, wie etwa Apple, oder die Telekom machen es sich da leichter, indem sie sich einfach wendige Start-ups durch Kauf einverleiben.
Agilität als Add-on: Die flexiblen Strukturen werden hierbei einfach angehängt bzw. ausgelagert, jedoch ohne das hierarchische Ordnungsmuster weitgehend zu stören oder gar darin integriert zu werden. Netzwerk und Hierarchie können in diesem Zwischenschritt eine Koexistenz eingehen, um den bevorstehenden Wandel schließlich zu vollziehen.
Treffen der Generationen: Von der Hierarchie zum Netzwerk – und wieder zurück
„Gegenwart trifft Zukunft“ – das Motto des diesjährigen New Work-Awards bringt es auf den Punkt, wie klassische Strukturen mit innovativen Arbeitskonzepten geschaltet werden. Hierbei wirkt die kollektive Intelligenz, also das Wissen vieler Mitarbeiter, zumeist als Impulsgeber auf die Führung ein. Wie weit die Macht bei dieser neuen Form der Netzwerkbildung allerdings geht, ist in dem Maße noch sehr unterschiedlich, wie sie durch die jeweilige Führung begrenzt oder zugelassen wird. Nur selten geht der Einfluss auf die Führung so weit wie bei der SYNAXON AG, wo Mitarbeiter kollaborativ selbst solche Entscheidungen treffen (dürfen), die nicht einmal der Unternehmensführung schmecken.
Die „unsichtbare“ Revolution und ihre Auswirkungen
Wenn derart neue Strukturen entstehen, werden alte Strukturen notwendigerweise zerstört. „Joseph Alois Schumpeter hat diesen Prozess deshalb auch ,schöpferische Zerstörung‘ getauft. Die Zerstörung alter Strukturen […] und alter Techniken ist die Voraussetzung für ökonomisches Wachstum – und für den Wohlstand einer Gesellschaft.“
Doch niemals zuvor hat eine solche Zerstörung nicht nur die gesamte Gesellschaft betroffen, sondern sie auch involviert. Ja, man muss sogar so weit gehen und konstatieren, dass der Paradigmenwechsel, wie wir ihn dieser Tage erleben, direkt aus dem gesellschaftlichen Wandel und der damit einhergehenden Machtverschiebung hervorgegangen ist. Nicht geplant, sondern zunächst unsichtbar in Netzwerken und aufgrund der Möglichkeiten des Internets. Die Impulse von Mitarbeitern, von Kunden, und letztlich aus der Gesellschaft werden die Art und Weise, wie Unternehmen interagieren, nachhaltig verändern. Und deshalb halte ich es für richtig, zu sagen, dass wir die Strukturen der Unternehmen zerstören, indem wir Netze bilden, und sie gleichzeitig retten, indem Unternehmen selbst Netze bilden und die Impulse aus allen anderen Netzen nutzen.