New Work – Der Wissensarbeiter und sein Ort in der neuen Arbeitswelt
Angesichts einer Arbeitswelt, in der nicht nur mechanische Vorgänge, sondern zunehmend intellektuelle Fähigkeiten standardisiert und automatisiert werden, stellt sich vermehrt die Frage nach der neuen Arbeitswelt.
Durch die Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz übernehmen intelligente Assistenten immer mehr Aufgaben, von denen lange Zeit angenommen wurde, nur Menschen können sie ausführen. Die Zeiten, in denen Anwälte tausende von Seiten nach den entscheidenden Stellen durchforsten müssen, sind angezählt. Intelligente Suchalgorithmen sind nicht nur schneller, sondern auch exakter, weil sie weder unkonzentriert noch müde werden. Auch journalistische Arbeiten, die nach immer gleichen Mustern funktionieren und entsprechend einen hohen Standardisierungsgrad aufweisen wie etwa Sport- und Wettermeldungen, können nach einfachen Regeln automatisiert erstellt und veröffentlicht werden. Die Algorithmen von Spotify & Co, die automatisch personalisierte Empfehlungen, Listen und Mixtapes erstellen, stellen wiederum unter Beweis, dass Redakteure und ihre musikalische Expertise ersetzbar sind. Immer dringlicher stellt sich die Frage, welche Funktion zukünftig dem Menschen als arbeitendem Menschen zukommt und wie sich Arbeit definiert. Insbesondere der Wissensarbeiter wird als ein wesentlicher Bestandteil der neuen Arbeitswelt angesehen, um dessen Bestimmung und seinen Ort innerhalb der neuen Arbeitswelt es im Folgenden gehen soll.
Der Status des Wissens im digitalen Zeitalter
In nahezu allen Berufen wird der Wissensanteil, der zur Ausübung von Arbeit notwendig ist, immer größer. Menschen, die in der Produktion tätig sind und beispielsweise in Smart Factorys arbeiten, benötigen ebenso IT-Wissen wie Menschen, die klassischer Büroarbeit nachgehen. Aber handelt es sich darum automatisch bei allen wissensintensiven Arbeiten der neuen Arbeitswelt gleich um Wissensarbeit? Wohl kaum. Schon seit jeher gab es den Unterschied zwischen wissensbasierten, also gelernten Tätigkeiten und ungelernten Tätigkeiten.
Unabhängig von dieser Unterscheidung bleibt jedoch die Tatsache bestehen, dass die Arbeitswelt (und auch die Lebenswelt) im digitalen Zeitalter und der damit verbundenen Herausforderungen komplexer ist als jemals zuvor. Wissen nimmt in ihr einen entsprechend hohen Stellenwert ein. Arbeit wird immer abhängiger vom Wissen und dem Zugang dazu. Obwohl Wissen – für diejenigen mit einem Zugang zum Internet – so einfach zugänglich wie wohl noch nie in der Geschichte ist, wird es zugleich immer schwieriger, richtiges von falschem beziehungsweise relevantes von nicht-relevantem Wissen zu unterscheiden.
Was macht den Wissensarbeiter zum Wissensarbeiter?
Als typische Beispiele für Wissensarbeit werden oft Tätigkeiten wie Consulting, Forschung und Wissenschaft genannt, aber auch Autoren, Fachjournalisten, Laboranten, Spezialisten wie Programmierer und Grafiker werden dazu gezählt. Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) hat drei Kriterien für Wissensarbeit aufgestellt: „Neuartigkeit“, „Komplexität“ und „Autonomie“. Doch einer der wesentlichen Unterschiede, der einen Wissensarbeiter zum Wissensarbeiter macht, bleibt dabei außen vor. Er besteht darin, dass ein Wissensarbeiter neues Wissen schafft. Arbeiter, die lediglich ein spezielles Wissen brauchen, um ihre Arbeit auszuführen, sind keine Wissensarbeiter.
Wissensarbeit umfasst damit drei wesentliche Bestandteile: die Schaffung neuen Wissens, der Verwaltung dieses Wissens und der Verbreitung des Wissens. Neues Wissen entsteht nicht aus dem Nichts. Es basiert auf vorhandenem Wissen und entsteht durch den Austausch mit anderen. Ein zentraler Schritt, der notwendig ist, um neues Wissen zu schaffen, ist die Aneignung von vorhandenem Wissen und die Kommunikation und Kollaboration in Netzwerken. Um der Komplexität der Aufgabenstellungen gerecht zu werden und aufgrund der Neuartigkeit vieler Probleme, der sich Wissensarbeit widmet, wird lebenslanges Lernen zu einer Selbstverständlichkeit.
Die für Wissensarbeit zentralen Fähigkeiten
So vielfältig die einzelnen spezifischen Fachbereich von Wissensarbeit auch sein mögen, so lassen sich doch eine Reihe von Fähigkeiten benennen, die für Wissensarbeiter zur „Grundausstattung“ gehören. Zunächst müssen Wissensarbeiter die Präsentation ihrer Persönlichkeit und ihrer Fähigkeiten, sprich: ihr Identitätsmanagement beherrschen. Direkt auf das Identitätsmanagement folgt das Netzwerkmanagement, also der Pflege und kontinuierlichen Erweiterung ihrer Kontakte. Dies gelingt, wenn alle Regeln der Kunst der Kommunikation beherrscht werden. Die Kommunikation in Netzwerken wiederum dient dem Austausch von Information und der Kollaboration. Neben die fachliche Qualifikation treten demnach intellektuelle, soziale und kreative Fähigkeiten.
Der Wissensarbeiter als Garant für Innovation, Produktivität und Kreativität
Hannah Arendt unterschied in ihrem Buch Vita activa zwischen Arbeiten, Herstellen und Handeln. In diesem Sinne „arbeiten“ Wissensarbeiter nicht, sondern sie stellen etwas her. Arbeit setzt Arendt mit dem gleich, das zum Erhalt des biologischen Lebens dienlich ist. Wissensarbeiter stellen Wissen her. Sie gelten darum auch als die Treiber der Innovation und der Produktivität, da dieses Wissen in die Wertschöpfungskette eingebunden ist. Wissensarbeiter stellen im weitesten Sinne Produkte her, weil ihre Arbeit (Kopfarbeit oder Wissensarbeit) sonst im Verborgenen bleiben würde.
Allgemein lässt sich Wissensarbeit als ein wertschöpfender Prozess beschreiben, bei dem das Erzeugen von Wissen in einen ökonomischen Beziehungen eingebunden ist. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Überlegung von Peter Kruse, der die Idee der Kreativität und damit der Möglichkeit der Schaffung von Neuem mit dem Networking in Verbindung bringt. Denn Kreativität ist das Ergebnis von Störungen. Sie kann durch Rahmenbedingungen wie beispielsweise heterogene Netzwerke begünstigt werden.
Der Wissensarbeiter in der neuen Arbeitswelt
Wissen ist nicht an Räume und feste Zeiten gebunden. Wissensarbeit trägt damit zur Flexibilisierung der Arbeitswelt bei. Besonders in Deutschland (sowohl von Arbeitnehmer wie von Arbeitgeberseite aus) werden jedoch die Themen wie mobiles Arbeiten, Vertrauensarbeitszeit und Home Office kritisch gesehen. Die Präsenzkultur ist nach wie vor in vielen Unternehmen vorherrschend. Der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben steht die ständige Erreichbarkeit und die schwerer zu ziehende Grenze zwischen Arbeit und Freizeit gegenüber.
Das HomeOffice scheint, zumindest wie es im Moment aussieht, kein Modell für Deutschland zu sein. Laut einer aktuellen Studie geben in Deutschland gerade einmal 14 Prozent der Berufstätigen an, dass ihre Arbeit in virtuellen Teams organisiert ist. Dabei können viele wissensbasierte Tätigkeiten ortsunabhängig durchgeführt werden. Allein aus ökologischen Gründen macht es Sinn, dass Wissensarbeiter nicht jeden Tag ins Büro fahren. Zusätzlich führt Pendeln nachweislich zu Stress, Unglück und Krankheit.
Wissensarbeit als nicht-standardisierbarer Bestandteil der Industrie 4.0
Wissensarbeit steht nicht nur der materiellen Arbeit und Produktion gegenüber. Der Wissensarbeiter ist die komplementäre Größe zur Standardisierung und Automatisierung von Prozessen. Damit ist eine Grenze gezogen: Wissensarbeit ist Arbeit, die nicht standardisierbar und automatisierbar ist. Diese Grenze ist nicht ein für allemal festgesetzt, sondern verschiebt sich, wie eingangs gezeigt, permanent. Unabhängig vom genauen Grenzverlauf ist Wissensarbeit die Antwort auf eine immer komplexer werdende und eine schneller sich wandelnde Arbeitswelt, auch Industrie 4.0 genannt. Wissensarbeit hat überall dort ihren Ort, wo Problemlösungen jenseits der Standardisierung erforderlich sind. Entsprechend ist zu erwarten, dass im Bereich der Wissensarbeit große Zuwachsraten zu verzeichnen sind.
Wissensarbeit zwischen Freiheit, Vertrauen und Verantwortung
Vieles von dem, was den Wissensarbeiter charakterisiert, liest sich so, als handele es sich vor allem um Freelancer beziehungsweise Selbständige. Dabei spielt es keine Rolle, ob jemand bei einer großen Organisation, einer kleinen Agentur, einem Start-up oder selbständig arbeitet – Wissensarbeit zeichnet sich durch einen hohen Grad an Autonomie, Selbstbestimmtheit, Selbstorganisation und Verantwortung aus. Aus diesem Grund spielt Motivation eine entsprechend große Rolle.
Wissensarbeit und Wissensmanagement wird also nicht nur für Selbständige, sondern auch für Unternehmen immer wichtiger. Das hat Auswirkungen auf die Arbeits- und Führungskultur. Wissensarbeiter arbeiten oft autonom oder in kleinen, hybriden Teams. Ihre Arbeit ist schwer anleitbar und erfordert entsprechend Vertrauen, dem auf der anderen Seite Verantwortung gegenüber stehen muss.
Autor
Christian Schön
Christian Schön arbeitet als freier Autor, Ghostwriter und Blogger in Berlin.
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