Bedingungsloses Grundeinkommen
Elon Musk – Space-X und Tesla-Chef: Es sollte uns zu denken geben, wenn er sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen ausspricht.
Allen voran das Smartphone und die unsichtbaren Maschinen mit all ihren Algorithmen, die im Hintergrund für uns oder gegen uns arbeiten. Den Hauptauslöser für diese Veränderungen sehe ich in der permanenten Erhöhung des Grads der digitalen Vernetzung zwischen Menschen aber auch Dingen in einem bisher ungesehenen Maßstab. Die neuartige Programmierung der Verbindungen zwischen den Dingen erhöht hierbei die Komplexität. Das schafft die Grundlage, auf der wir immer mehr „uns selbst“ aber auch Dinge teilen können, wie Wissen, Erfahrung und Gefühle aber ebenso Musik, Autos, Wohnungen oder Arbeitskraft. Laut einer PwC-Studie nutzen bereits 50 Prozent der Menschen in Deutschland Angebote, die in der Tauschökonomie verortet sind.
Ich denke, dass Musk damit einen Nerv unserer Zeit trifft und Fragen aufwirft, die bislang viel zu selten gestellt und diskutiert werden. In den kommenden Jahren werden wir weitreichende Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz, der Automatisierung (Stichwort „Autonomes Fahren“) und der Robotik erleben, die nicht nur die Wirtschaft vollständig verändern werden, sondern unsere Gesellschaft als Ganzes.
Die ist und bleibt trotz all dieser Entwicklungen ein Kreislauf, was auch heißt, dass es immer Menschen geben muss, die Produkte kaufen und Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Die „Abwrackprämie“ und das sogenannte Helikopter-Geld, das EZB-Chef Mario Drahgi als ein „interessantes Konzept“ bezeichnete, sind ebenfalls bedingungslose Geldleistungen von staatlicher Seite. Solche Maßnahmen, von denen wir in den nächsten Jahren sicher noch mehr sehen werden, sind bloß Vorstufen zu einem bedingungslosen Grundeinkommen.
Werden wir alle zu Faulenzern, wenn jeden Monat genug Geld auf dem Konto ankommt?
Die am häufigsten formulierte Kritik am bedingungslosen Grundeinkommen, ist die Behauptung, dass die meisten Menschen nicht mehr arbeiten gehen werden, sobald sie das bedingungslose Grundeinkommen erhalten. Experten für das Grundeinkommen behaupten auch, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen so hoch sein muss, dass es auch nicht mehr nötig ist, arbeiten zu gehen, um nicht nur zu überleben, sondern auch aktiv an der Gesellschaft teilzunehmen. Schon heute ist es so, dass ein großer Teil der „Arbeitsstunden“ nicht Erwerbsarbeit sind, sondern Ehrenämter und nicht-entlohnte Arbeit wie Haushaltsarbeit, Kindererziehung und Altenpflege.
Ein noch viel schwerwiegenderes Argument gegen die Befürchtung, dass ein großer Teil der Menschen nicht mehr arbeiten wird, ist die Tatsache, dass die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen nicht automatisch weniger werden, wenn es das bedingungslose Grundeinkommen gibt. Wer sich einen Luxusurlaub, ein neues iPhone oder ein Haus leisten will, wird weiter dafür arbeiten müssen.
New Work, Automatisierung und die Fragen der Ethik
Es gibt eine ganze Reihe von ethischen Fragen, die immer dann gestellt werden, wenn es beispielsweise um das autonome Fahren geht. Besonders ein Szenario wird immer wieder wiederholt, geht aber meiner Ansicht nach am eigentlichen Kern der ethischen Dimension der Automatisierung vorbei. In vielen Variationen wird gefragt, wie es ethisch, moralisch und rechtlich zu bewerten sei, wenn ein autonom fahrendes Auto in einer Unfallsituation entscheiden muss: Wird es eher das Leben des einen Menschen (oft wird gesagt einer alten Person) oder des anderen Menschen (zugespitzt das Leben eines Kindes) opfert.
Dabei wird übersehen: Diese Frage hat nur am Rande etwas mit dem Thema des autonomen Fahrens zu tun. Auch einem Menschen stellt sich in der gleichen Situation diese Frage. Der Unterschied in diesem Szenario ist: Der Mensch kann in Stresssituationen tendenziell eher schlechter Entscheidungen treffen. Ein autonom fahrendes Fahrzeug hingegen kann auf eine Datenbank zurückgreifen, in der die Auswertung von tausenden Unfällen enthalten sind. Ein autonomes Auto wird also in jedem Fall die bessere Entscheidung treffen als ein Mensch.
Die wirklich entscheidenden ethischen Fragen, die sich im Rahmen von Automatisierung und New Work stellen, sind anders gelagert. Bleiben wir dazu kurz beim autonomen Fahren: Schon in wenigen Jahren werden autonom fahrende Lastwagen Realität sein. Was wird dann aus den Millionen Jobs, die im Moment von Fernfahrern ausgeübt werden? Auch autonom fahrende Taxis in Städten werden viele Jobs überflüssig machen. Dabei ist das Thema des autonomen Fahrens nur eine von vielen Varianten der Automatisierung. Die Entwicklung im Bereich der künstlichen Intelligenz und intelligenten Assistenten werden viele Berufe im Dienstleistungssektor überflüssig machen. Roboter werden in Fabriken viele Aufgaben übernehmen, die in einigen Fällen ohnehin menschenunwürdig waren. Der „Job-Futuromat“ erklärt dir, ob dein Job bald automatisiert wird.
New Work als Jobwunder oder Jobkiller?
Auch wenn ich davon überzeugt bin, dass die bereits erwähnten Entwicklungen im Bereich New Work viele neue Aufgaben und Jobs bringen werden, wäre es illusorisch zu glauben, dass auch nur annähernd so viele Arbeitsplätze entstehen werden wie parallel überflüssig werden. Darüber hinaus dürfen wir den Faktor Zeit nicht außer acht lassen. Es wird eine gewisse Zeit brauchen, um neue Fähigkeiten und Kenntnissen für neue Berufe zu erlernen. Überspitzt gesagt: Nicht alle Fernfahrer werden über Nacht zu IT-Spezialisten. Das Grundeinkommen würde in diesem Fall eine Sicherheit bieten und Zeit verschaffen, damit sich diejenigen Menschen neu orientieren können, deren Berufe es nicht mehr geben wird. Zeit wird es schließlich auch dauern, bis wir uns als Gesellschaft mit dem neuen Grad an Freiheit vertraut gemacht haben, den ein bedingungsloses Grundeinkommen ebenfalls bringt.
Das bedingungslose Grundeinkommen ist auch ein Leadership-Thema
Für mich ist das Grundeinkommen auch ganz entscheidend ein Leadership-Thema. Alle Überlegungen, die davon ausgehen, dass Menschen mit bedingungslosem Grundeinkommen nicht mehr arbeiten würden, gehen von einer bestimmten Vorstellung von Arbeit und Leadership aus. Die in diesem Zusammenhang geäußerten Bedenken sind nur innerhalb eines Mindsets sinnvoll, das von einem veralteten Leadership-Verständnis ausgeht: In einem streng hierarchisch organisierten System, in dem die an der Spitze positionierten Leader den Menschen in Erwerbsarbeit sagen, was sie machen müssen.
Dieses Mindset ändert sich grundlegend, wenn Menschen trotz bedingungslosem Grundeinkommen arbeiten gehen. Diese Menschen tun dies nicht mehr, weil sie zwangsläufig müssen, sondern in vielen Fällen weil sie es wollen, weil sie ihre Aufgabe als sinnvoll und sinnstiftend erkennen. In einer Gesellschaft mit bedingungslosem Grundeinkommen brauchen wir entsprechend auch eine andere Form von Leadership, damit Mitarbeitende in einem Unternehmen gemeinsam das Ziel erreichen und produktiv sind.
Bedingungsloses Grundeinkommen: Utopie oder nahe Zukunft?
Mit all diesen Überlegungen im Hinterkopf ist für mich die Frage nach dem Grundeinkommen, keine Frage des ob, sondern nur noch des wann und wie. Finnland geht mit gutem Beispiel voran und testet seit diesem Jahr das Grundeinkommen mit zufällig ausgewählten Menschen. Die Frage nach der Finanzierung halte ich für vergleichsweise leicht zu beantworten: Ebenso wie es Steuern auf menschliche Arbeit gibt, muss es in Zukunft Steuern auf Arbeiten geben, die von Robotern, Computern oder Software erledigt wird. Was sich vor allem ändert ist die Bedingungslosigkeit, die mit dem Grundeinkommen gemeinsam zur Diskussion steht
Neben allen genannten Gründen sehe ich aber noch einen viel wichtigeren Grund, warum ein bedingungsloses Grundeinkommen unausweichlich ist. In Zeiten, in denen wir mit einer immer stärkeren Radikalisierungen und Polarisierung der Gesellschaft konfrontiert sind, würde ein Grundeinkommen nicht nur für eine Grundsicherung, sondern für sozialen Frieden sorgen. Viele der erwähnten Entwicklungen, die ein bedingungsloses Grundeinkommen sinnvoll machen, werden sehr schnell und. Viele Lernprozesse, die sich daran anschließen werden, brauchen aber viel Zeit. Darum halte ich es für überfällig, sich den drängenden Fragen zu stellen, wie wir in Zukunft arbeiten und gemeinsam leben wollen.
Autor
Ibrahim Evsan
Ibrahim Evsan ist Gründer, Author und Blogger in Berlin. Er ist auch der Herausgeber dieses Blogs.
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